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Riskante Töne an der Börse

Der schwedische Musikstreaming-Dienst Spotify sieht seinen Börsengang als Meilenstein. Doch er muss sich weiterhin die Frage gefallen lassen, wann er endlich profitabel wird.

Daniel Ek wird keine Glocke läuten, wenn Spotify an diesem Dienstag an die Börse geht. Er wird keine Interviews geben, keine Wallstreet-Partys feiern. Doch deswegen wird es nicht weniger spannend. Denn fast alles, was sonst bei einem Börsengang gilt, gilt für Spotify nicht.

Das fängt damit an, dass niemand weiß, wie viele Aktien tatsächlich auf den Markt kommen. Spotify gibt keine neuen Papiere aus. Die Altaktionäre dürfen entscheiden, ob sie Tausende ihrer Papiere verkaufen wollen, oder gar keines. Auch der Preis ist völlig offen. Daniel Ek verzichtet auf die Hilfe von Investmentbanken, die einen Preis austarieren und stützen könnten. Anleger müssen selbst entscheiden, was ihnen das schwedische Start-up wert ist.

Was sie von Spotify erwarten können, hat das Unternehmen zwar in seinem Börsenprospekt beschrieben. Darin legt es so detailliert wie noch nie die Schwächen und Chancen seines Geschäftsmodells offen. "Fühlt sich großartig an, wenn die Katze aus dem Sack ist", schrieb Geschäftsführer und Gründer Daniel Ek auf Twitter. Doch viele Fragen bleiben offen. Etwa die, ob und wann Spotify endlich profitabel wird.

Niemand muss mehr ein Album kaufen, weil er zwei Lieder darauf hören will

Bisher macht Ek von Jahr zu Jahr größere Verluste. Zwar kann man von einem jungen Unternehmen erwarten, dass es in Wachstum investiert und dafür ein Minus in Kauf nimmt. Doch bei Spotify verursacht das Geschäftsmodell an sich einen Teil der Verluste. Ein Modell, das Daniel Ek bei seinem ersten Investoren-Tag als sehr idealistisch beschreibt. Da erzählte der 35-jährige Schwede von seinem Traum, die Musikindustrie vor den Piraten zu retten. "Fans wollten alle Musik der Welt umsonst, sofort", sagte er.

Heute hören 86 Millionen Menschen Musik über Spotify, ohne dafür zu bezahlen. Sie nehmen dafür zwar Werbung in Kauf, doch die bringt nicht genug ein, um die Kosten auszugleichen. Wichtiger sind für Spotify die 71 Millionen zahlenden Abonnenten. Auch die reichen nicht aus für einen Gewinn. Denn anders als die Musikpiraten zahlt Spotify für jeden Song, den sich ein Nutzer anhört, Lizenzgebühren.

Daniel Ek, sagen manche, wurde dadurch zum Retter der Musikindustrie. Die fand seine Idee, Musik kostenlos im Internet anzubieten, anfangs unheimlich. Doch seither hat das Streaming dem angeschlagenen Musikmarkt wieder zu Wachstum verholfen. Und unter den Streamingdiensten ist Spotify unangefochten Marktführer. Daniel Ek und Partner Martin Lorentzon haben es 2006 gegründet, seit 2008 kann man mit Spotify Musik hören, inzwischen in 65 Ländern. Bis Ende 2018 rechnet Ek mit bis zu 208 Millionen Nutzern.

Die Konkurrenz von Apple, Amazon und Google holt auf

Spotify ist längst groß genug, um die Art und Weise zu verändern, wie Menschen Musik hören. Durch spezielle Programme schlägt es dem Nutzer Songs vor, von denen es längst weiß, dass sie ihm gefallen. Niemand muss mehr ein Album kaufen, weil er zwei Lieder darauf hören will. Playlisten haben plötzlich einen Einfluss darauf, was zum Hit wird und was nicht.

Doch Spotify ist dabei nicht alleine, Amazon, Apple, Google und Deezer bieten Vergleichbares an. Die Konkurrenz holt kräftig auf: Apple Music ist die Nummer zwei bei den Streamingdiensten, mit 38 Millionen zahlenden Nutzern. Das sind zwar nur etwa halb so viel wie Spotify hat. Doch den schwedischen Dienst gibt es seit fast zehn Jahren, den Apple-Dienst knapp drei. Dieser Wettbewerb dürfte es für Spotify noch schwieriger machen, Geld zu verdienen.

Daniel Eks Konzept bedeutet, dass er die Einnahmen mit der Musikindustrie teilen muss, mit den Labeln, den Musikverlagen, den Künstlern und Songschreibern. Einerseits haben die ein Interesse daran, Spotify am Leben zu halten. Andererseits werden sie versuchen, so viel wie möglich an dem Dienst zu verdienen. Von jedem eingenommenen Euro muss Spotify etwa 79 Cent abgeben. 2016 waren es noch 86 Cent. Vergangenes Jahr hat Spotify neue Verträge ausgehandelt. Die Schweden konnten ihre Position dabei wohl etwas stärken. Trotzdem bleibt ihre Abhängigkeit von einem komplizierten Geflecht aus Lizenzabkommen die größte Schwäche.

Spotify versucht so groß zu werden, dass sich das Machtgefüge dreht

Das Unternehmen warnt in einem 40 Seiten langen Kapitel mit der Überschrift "Risikofaktoren" davor: "Wir haben keine Kontrolle über die Anbieter unserer Inhalte". Es herrsche hohe Konzentration auf dem Musikmarkt. Schon einer der großen Anbieter allein könne Spotifys Zugang zur Musik und damit sein Geschäft negativ beeinflussen. Nur vier Unternehmen - Universal, Sony, Warner und Merlin, ein Netzwerk von Independent Labeln - halten gemeinsam die Rechte an 87 Prozent der Lieder, die Spotify anbietet.

Spotify versucht daher so groß zu werden, dass sich das Machtgefüge irgendwann umdreht. Doch ob der Anbieter weiter an den Lizenzverträgen drehen kann, wird auch davon abhängen, wie sich die Konkurrenz schlägt. Anders als Apple, Amazon oder Google hat Spotify keine andere Einnahmequelle. Es gibt zwar erste Schritte, Spotify produziert etwa Podcasts und hat sich mit mäßigem Erfolg auch an Videos versucht. Für Netflix beispielsweise, das Filme und Serien im Stream anbietet, hat diese Strategie viel besser funktioniert. Es produziert längst erfolgreiche eigene Serien wie "The Crown" und "House of Cards". Mit Netflix muss sich Spotify nun häufig vergleichen lassen. Der Video-Anbieter ist 2002 an die Börse gegangen und zum Anlegerliebling geworden.

Daniel Ek macht kein Geheimnis daraus, dass er auch auf die Label verzichten könnte. Das alte Modell habe "bestimmte Gatekeeper" bevorzugt, weil Künstler Zugang zu Studios und Radiosendern brauchten. Heute könnten Künstler ihre eigene Musik produzieren und veröffentlichen. Spotify könne ihnen dabei helfen, dass ihre Musik auch gehört werde, verspricht er.

Ob solch eine Ansage seine schwierige Beziehung zu den Großen der Musikindustrie verbessert? "Probleme sind für mich nicht nur schlecht, sie sind notwendig, um einen Wert zu schaffen", twitterte Ek vor Kurzem. Er muss hoffen, dass das die Anleger genauso sehen.

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