Kochtöpfe und Klamotten, Schuhe und Staubsauger, Gesichtscremes und Parfums - Arina Pirayesh verkauft alles. Sogar Wurst hat sie schon angepriesen, obwohl sie Vegetarierin ist. Vor der Sendung bekommt sie eine Produktliste und die Reihenfolge, während der Sendung folgen dann Hinweise übers Ohr: welche Größen ausverkauft sind, welche Kleidungsstücke sie mehr pushen soll. Artikelnummer und Preis liest sie vom Bildschirm ab. Der Rest ist Improvisation. "Zu viel Vorbereitung ist tödlich", sagt Pirayesh. Sie schaut das Produkt an, fasst es an und beschreibt, was ihr spontan in den Kopf kommt. Da sehen Pullover mal aus "wie von Andy Warhol inspiriert", wie "ein Aquarellbild", "eine Hommage an die Hippie-Bewegung" oder "wie wenn mein Kleiner mit seinem Malkasten an meinem Kleiderschrank war."
Eine Live-Sendung dauert eine Stunde, oft hat Pirayesh mehrere hintereinander. Wie redet man eine Stunde lang über eine Matratze? "Oh, ganz einfach: Für die Größen und die Preise gehen schon locker ein, zwei Minuten drauf, dann der Aufbau der Matratze, Körperzonen, Härtegrade, das Material..." Obwohl Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, scheinen Pirayesh nie die Worte auszugehen. Mit sieben Jahren kam sie aus Iran nach Deutschland. Das Germanistikstudium habe ihr für diesen Beruf geholfen. "Ich rede in einer Sendung über einen Staubsauger, in der nächsten über dekorative Kosmetik. Dafür braucht man einen guten Wortschatz."
Wenn sie in die Kamera spricht, stellt sie sich vor, mit einer Mischung aus ihrer Mutter, ihrer Oma und den Frauen zu plaudern, die sie in der Fußgängerzone erkennen und umarmen. Sie alle kaufen bei HSE24 ein. 86 Prozent der Kunden sind Frauen, im Durchschnitt 61 Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal bei HSE24 anrufen. Doch inzwischen kommt mehr als die Hälfte der Neukunden über die Website, darunter viele jüngere. Ein Viertel der 754 Millionen Euro Umsatz machte HSE24 2016 bereits übers Internet. Die höchste Währung im Fernsehen, die Einschaltquote, ist bei Homeshopping-Kanälen unwichtig. "Unsere Quote sind die Kunden", sagt eine Sprecherin von HSE24. Auch der Name des Moderators wird nicht eingeblendet. "Bei uns ist das Gesichtsserum der Star, nicht der Moderator", sagt Pirayesh.
Der Staubsauger ist ganz normal, aber die Moderatoren geben ihm eine Geschichte
Selbst wenn die Kamera aus ist, rutschen ihr immer wieder diese Teleshopping-Sätze heraus - über Qualitätsmanagement, Lieferzeit, Exklusivkollektionen. Sogar auf ihrem Instagram-Account preist sie HSE24-Produkte an, obwohl sie das nicht müsste. Sie weiß aber auch, dass das Produkt nicht alles ist. "Wir verkaufen nicht nur eine Jeans, wir verkaufen ein Gefühl", sagt sie. Deshalb erzählt sie in der Sendung "Geschichten" zu jedem Kleiderbügel, zu jeder Bluse. Dass sie alle zwei Jahre ihren Kleiderschrank ausmistet, dass sich der Freund beklagt, wenn Strasssteine die Lederautositze zerkratzen, dass sie wartet, bis die Familie im Bett ist, und dann erst ihr Päckchen auspackt. "Die Leute kaufen die Hose ja nicht nur, weil sie auf dem Bildschirm gut aussieht, sondern weil die Arina eine Story dazu erzählt", sagt sie.
Deshalb dürfe sie auch nicht lügen. "Wenn ich sage, die Bluse fühlt sich an wie Seide und die Kundin kriegt sie und sie fühlt sich an wie Baumwolle, dann geht das Päckchen - zack - sofort zurück." Es gäbe zwar keine Retouren-Quote pro Moderator, aber es sei ja in ihrem Interesse, dass ihr Arbeitgeber nicht pleitegeht, sagt Pirayesh. Jedes dritte Päckchen kommt zurück. Darauf ist man stolz bei HSE24, schließlich ist es bei Zalando jedes zweite und auch andere Mode-Onlineshops haben höhere Retourenquoten.
Homeshopping ist eine der bequemsten Methoden einzukaufen: Man wird direkt angesprochen, muss nicht einmal das Sofa verlassen. 23,40 Euro gab 2016 jeder Deutsche im Durchschnitt beim Homeshopping aus - mehr als doppelt so viel wie im Mittel der europäischen Kernmärkte, die Goldmedia untersucht hat. Etwa zwölf Prozent der erwachsenen Deutschen haben schon einmal bei HSE24 bestellt, gibt das Unternehmen an. Kritiker werfen den Teleshopping-Sendern vor, Kaufsüchte zu fördern. "Es gibt keine empirischen Daten dazu, aber es liegt nahe, dass eine Kaufsucht durch Teleshopping verstärkt wird", sagt Astrid Müller, leitende Psychologin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Von HSE24 heißt es dazu lediglich, man sei an "nachhaltig guten Kundenbeziehungen interessiert."
Zum Abschied kann Arina Pirayesh es sich nicht verkneifen und sagt: "Wer weiß, vielleicht bestellen Sie ja auch mal. Wir haben wirklich für jeden was." Sie lächelt ihr perfektes Lächeln.
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