Warum der Gelbe Sack in die Hand der Kommunen gehört – Interview mit Landkreistagsgeschäftsführer Alexis von Komorowski.
Der insolvente Lizenznehmer ELS hat den Gelben Sack diese Woche im Kreis Lörrach nicht abgeholt. Am Montag soll wieder gesammelt werden, sagt das Landratsamt. Dass der Träger der Abfallwirtschaft beim Dualen System nur begrenzt eingreifen kann, sähe Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags gerne geändert.
Der Sonntag: Herr von Komorowski, für wie zukunftsfähig halten Sie den gelben Sack und war Ihrer Meinung nach damit zu rechnen, dass der erste Lizenznehmer des Dualen Systems Insolvenz anmelden würde?Wir haben immer gesagt, dass die Privatisierung der Verpackungsentsorgung ein Fehler war. Man wollte seinerzeit Marktwirtschaft haben und hat nur noch mehr Bürokratie bekommen. Insofern war es für mich nur eine Frage der Zeit, bis das erste duale System die Waffen streckt und in die Insolvenz geht.
Der Sonntag: Schon 2014 musste der Grüne Punkt als Hauptlizenznehmer mit 20 Millionen Euro vonseiten des Handels vor dem Konkurs gerettet werden. Wäre also das System komplett neu zu überdenken?
Ganz sicher wäre es das. Unseres Erachtens gehören Erfassung, Verwertung und Vermarktung von Verkaufsverpackungen und sonstigen Wertstoffen aus privaten Haushalten in die Hand der kommunalen Entsorgungsträger. Das gilt allein schon deswegen, weil es unfair ist, dass die Wertstofferlöse nicht den Gebührenzahlern zugute kommen.
Der Sonntag: Lizenzgelder, die die Hersteller bezahlen müssen, kassieren heute Unternehmen wie ELS. Trotzdem die Insolvenz, wie passt das zusammen?
Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass längst nicht alle Verpackungen, die eigentlich lizenziert werden müssten, das tatsächlich auch werden. Es gibt sehr viele Trittbrettfahrer und darin liegt mit ein Grund dafür, dass die ELS in der wirtschaftlichen Situation ist, in der sie sich befindet. Die Hersteller haben ja dem Grunde nach eine Rücknahmeverpflichtung im Hinblick auf ihre Verkaufsverpackungen. Dem werden sie über die Dualen Systeme gerecht, die die Entsorgung organisieren. Dafür werden die einzelnen Verpackungen lizenziert und es muss an die Betreiber der Dualen Systeme ein Obolus bezahlt werden.
Wir haben es in der Tat mit einer völlig überbordenden Müllbürokratie zu tun. Man könnte das Ganze sehr viel sinnvoller regeln, nämlich in der Weise, dass die Verpackungsabfälle aus privaten Haushalten genauso wie auch andere Müllfraktionen, von den kommunalen Entsorgungsträgern übernommen und verwertet werden. Das jetzige System ist für den normalen Verbraucher überhaupt nicht nachvollziehbar. Beispielsweise muss ich einen Joghurtbecher in den Gelben Sack werfen, ein Sandkastenförmchen, das ja ein ganz ähnliches Material hat, aber nicht, weil es nun einmal keine Verkaufsverpackung ist. Rein rechtlich müsste ich das Sandkastenförmchen über den Restmüll entsorgen. Viele werfen es natürlich trotzdem in den Gelben Sack. Man spricht von "intelligenten Fehlwürfen". Sie sind tatsächlich intelligent, weil der Verbraucher instinktiv weiß, dass es ökologisch Sinn macht, stoffgleiche Abfälle miteinander zu entsorgen.
Der Sonntag: Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Frank Untersteller haben sich für ein System der Wertstoffsammlung ausgesprochen, in der Sortengleiches landen sollte.
Auch wir unterstützen die einheitliche Wertstofferfassung sehr und sind dem Land dankbar für sein Engagement. Klar sollte dabei sein, dass die Zuständigkeit für die einheitliche Wertstofferfassung bei den Kommunen liegen muss. Denn die Bürger machen die Wertstofferfassung durch ihr Trennverhalten überhaupt erst möglich.
Der Sonntag: Die Kommunen müssten dann allerdings auch mit dem Handel in ein System eintreten. Würde das alles nicht noch einmal verkomplizieren?
Nein, keineswegs. Es wären ja beispielsweise Verursacherabgaben denkbar, die die Wirtschaft für die Entsorgung ihrer Verpackungsabfälle entrichtet. Und diese Gelder werden dann nach bestimmten Kriterien auf die entsorgungspflichtigen Stadt- und Landkreise verteilt. Das wäre relativ simpel möglich.
Der Sonntag: Wie ökologisch sinnvoll ist der Gelbe Sack angesichts einer Recyclingquote von unter 50 Prozent überhaupt?
Ich glaube, jedes Abfallprodukt, das verwertet wird, ist zunächst einmal ein Gewinn für die Umwelt. Insofern macht Mülltrennung grundsätzlich Sinn. Und wenn es im Bereich des Kunststoffrecyclings noch Luft nach oben gibt, was ich nicht bestreite, dann bin ich überzeugt davon, dass sich auch in diesem Bereich durch ein besseres System noch einmal eine bessere Verwertungsquote erreichen ließe. Wir meinen, dass die einheitliche Wertstofferfassung über die Kommunen ein solches besseres System wäre.
Der Sonntag: Macht das Ausspülen jedes Bechers, das durch die Anweisung, nur sauberen Müll einzubringen, erforderlich ist, den ökologischen Nutzen nicht wieder zunichte?
Von Ausspülen spricht keiner, das wäre unter ökologischen Gesichtspunkten unsinnig. Wenn Sie den Becher gut auskratzen und nur solche Joghurts kaufen, die auch so schmecken, dass Sie wirklich nichts übriglassen wollen, dann genügt das definitiv.
Der Sonntag: Sollten die Hersteller ursprünglich nicht auch dazu gebracht werden, weniger Plastikverpackung zu produzieren, indem sie für die Entsorgung aufkommen müssen?
Natürlich liegt der Verpackungsverordnung der Gedanke des Verursacherprinzips zugrunde. Und damit verbindet sich auch der Gedanke, dass der Verursacher, wenn er zur Kasse gebeten wird, die Tendenz hat, nach umweltschonenden Lösungen zu suchen. Das muss sich aber für ihn rechnen.
Der Sonntag: Müsste sich das System verteuern, um den erwünschten Nutzen zu haben?
Zunächst wäre es wichtig, dass im Hinblick auf das Ökodesign anspruchsvollere Vorgaben gemacht werden, das heißt, dass neue Produkte so gestaltet werden müssen, dass im Ergebnis weniger Verpackungen erforderlich sind. Und nein: Das System wird nicht teurer, denn durch Verursacherabgaben sollen keine zusätzlichen Einnahmen erzielt, sondern das Verhalten der Inverkehrbringer von Verpackungen im Sinne der Abfallvermeidung beeinflusst werden.
Der Sonntag: Hat der Importstopp für Plastikmüll in China Auswirkungen auf den Gelben Sack?
Also ich glaube, ob in China ein Verpackungssack umfällt oder nicht, das hat für die hiesige Müllwirtschaft nur geringe Bedeutung.
Das Gespräch führteAnnette Mahro
FAKTEN: Info
SEIT EINFÜHRUNG der 1991 erlassenen Rücknahmeverpflichtung von Verkaufsverpackungen zahlen Händler und Hersteller für die Entsorgung deutschlandweit zurzeit an zehn Unternehmen, die vor Ort häufig andere Unternehmen mit der Abholung des Mülls beauftragen. Die im Kreis Lörrach zuständige Europäische Lizenzierungssysteme GmbH ELS, hat einen Marktanteil von sechs Prozent. amaBagikan Berita Ini
0 Response to "Fehlwürfe im bürokratischen Moloch"
Post a Comment