Nehmen die Maschinen den Menschen die Arbeit weg? Diese Befürchtung ist eine Konstante der letzten 200 Jahre. Der technische Fortschritt hat grosse Umwälzungen gebracht. So arbeitete zum Beispiel 1850 noch über die Hälfte der Erwerbstätigen der Schweiz in der Landwirtschaft, heute sind es nur noch etwa 3%. Im heutigen Zeitalter löst der Vormarsch von Computern, Telekommunikation und der damit verbundenen Vernetzungsmöglichkeit riesiger Datenmengen Unsicherheit aus.
In den vergangenen 15 Jahren haben in der Schweiz vor allem Büroberufe viele Stellen verloren, während akademische Berufe, Techniker und Führungskräfte deutlich zugelegt haben (vgl. Grafik). Gemessen am Ausbildungsniveau haben Stellen mit mittleren Anforderungen am meisten eingebüsst, und Beschäftigte mit Hochschulbildung haben am meisten gewonnen. Die Beschäftigung ist gestiegen, und das Ende der Arbeit ist derzeit nicht in Sicht.
Die Literatur zum Arbeitsmarkt in der digitalen Wirtschaft ist umfangreich, aber naturgemäss unschlüssig. Hier einige grobe Tendenzen daraus:
Je nach Studie gelten für die nächsten Jahrzehnte knapp 10% bis gegen 50% als «gefährdet», doch nicht jede «gefährdete» Stelle wird verschwinden. Viele neue Stellen werden entstehen, doch wo dies passiert, weiss man naturgemäss nicht. Ob mehr Stellen entstehen, als verschwinden werden, ist unklar. In vielen Ländern (aber nur beschränkt in der Schweiz) hat die Einkommensungleichheit in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen; dieser Trend könnte sich fortsetzen. Der technische Fortschritt und die Globalisierung dürften dabei eine Rolle spielen. Herausgefordert ist vor allem das Bildungssystem.
Jeder technische Wandel bringt Gewinner und Verlierer; zu hören sind vor allem die Verlierer. Das Internet stellt Geschäftsmodelle grundlegend infrage: Taxibetriebe, Reisebüros, traditionelle Medien und viele andere Branchen können ein Lied davon singen.
Auch die Gewerkschaften fürchten, zu den Verlierern zu zählen, wenn die Kombination von Globalisierung und Internet-Ökonomie die Verhandlungsmacht und die Organisationslust der Arbeitnehmer einschränkt. Der Gewerkschaftsbund (SGB) hat am Montag vor den Medien in Bern eine nüchterne Darstellung zur Digitalwirtschaft vorgelegt. Die Gewerkschafter verzichteten auf die Verteufelung der Technik. Sie erinnerten daran, dass Techniksprünge und Befürchtungen über Stellenverluste nichts Neues sind, und sie sahen von Extremforderungen ab.
Für Extremforderungen waren zuletzt die Jungsozialisten zuständig. Diese sehen laut einer Mitteilung vom Wochenende das Heil in der 25-Stunden-Woche (natürlich bei gleichem Lohn) und im «Recht auf Arbeit». Wenn also die Arbeitgeber keine Leute mehr einstellen, weil Roboter viel billiger sind, dann soll offenbar die massive Verteuerung der menschlichen Arbeit das Problem lösen. Und wenn es dies nicht täte, könnte der Staat dank dem geforderten Gesetzesdekret zum «Recht auf Arbeit» dafür sorgen, dass alle aus Marktsicht nun «überteuerten» Menschen irgendwie beschäftigt werden.
Das reale Leben ist etwas komplizierter. Die Verkürzung von Arbeitszeiten kann bei der Verteilung von Produktivitätsgewinnen eine Alternative zu Lohnerhöhungen sein – so wie in der Vergangenheit geschehen. Doch das geschieht nicht über Nacht, und Dekrete zum «Recht auf Arbeit» sind kaum das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind.
Realitätsnäher geben sich die Gewerkschafter. Der Gewerkschaftsbund wiederholte am Montag zum Teil einfach alte Forderungen (stärkerer Kündigungsschutz für Ältere, mehr Gesamtarbeitsverträge mit Mindestlöhnen, Erfassung der Arbeitszeiten) unter dem modischen Titel «Digitalisierung». Im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht brauche es derweil «keine gesetzgeberischen Schnellschüsse», sondern nur die konsequente Durchsetzung. Die bisherigen Behördenentscheide etwa über den Taxidienst Uber oder den Lieferdienst Notime zeigen laut SGB, dass die geltenden Gesetze auch auf Arbeitsverhältnisse der Digitalisierung angewendet werden können.
Kontrovers ist bei Uber & Co. oft die Frage, ob die Beschäftigten selbständig oder Angestellte sind. Eine Schweizer Gerichtspraxis zum «Uber-Zeitalter» scheint noch nicht vorzuliegen, doch die Suva betrachtet Uber-Fahrer als Angestellte. Uber war und ist in vielen Ländern in Rechtsstreitigkeiten und Lizenzdiskussionen verwickelt. Eine der jüngsten Episoden ist der Beschluss der Londoner Verkehrsbehörden, Uber die Lizenz zu entziehen (NZZ 23. 9. 17).
Zu reden gibt auch der Datenschutz. Giorgio Pardini von der Gewerkschaft Syndicom sprach von der Möglichkeit der «totalen Überwachung» am Arbeitsplatz. Laut Pardini sollen die Arbeitgeber von den Mitarbeitern nur jene Daten erheben dürfen, die für den Geschäftsgang relevant sind oder die Gesundheit der Betroffenen schützen. Die Gewerkschaft führe dazu konstruktive Gespräche mit dem Telekomkonzern Swisscom, die bald in eine Einigung münden könnten.
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