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"Bei Renault gibt es keine Trickserei. Punkt"

Hei ru yu na mi ta yu re "Bei Renault gibt es keine Trickserei. Punkt"

Renault-Vizechef Thierry Bolloré über die Auswirkungen der Diesel-Krise, verloren gegangenes Vertrauen bei den Kunden - und die Chancen seines Unternehmens im Nahverkehr der Zukunft.

Thierry Bolloré war lange der Schattenmann. Der Macher hinter Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn, der wiederum von manchen in der Autoindustrie als Lichtgestalt verehrt wird. Mitte Februar hat Ghosn just diesen Bolloré, 54, zu seinem Kronprinzen bei Renault erkoren. Läuft alles nach Plan, rückt der Chief Operating Officer in vier Jahren an die Spitze des Pariser Herstellers. Ghosns Schatten verlässt Bolloré jetzt schon - und macht in seinem ersten Interview in neuer Funktion dem großen deutschen Rivalen gleich die Marktführerschaft streitig.

SZ: Monsieur Bolloré, wer ist die Nummer eins unter den Autoherstellern? Volkswagen oder Renault-Nissan?

Thierry Bolloré: Im Geschäft mit Personenwagen stehen Renault, Nissan und Mitsubishi an erster Stelle. 2017 hat unsere Allianz 10,6 Millionen Fahrzeuge verkauft. Wobei Größe kein Selbstzweck ist. Es geht um Zukunftsfähigkeit. Die Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi will die notwendige Größe im Verhältnis zu unseren Wettbewerbern erreichen. So ziehen wir Vorteile aus Skaleneffekten bei Investitionen, Technologien und Kosten.

Mit Verlaub, die Behauptung, Sie seien die Größten, ist etwas frech. Der Volkswagen-Konzern besitzt alle seine Marken, während Sie Kapitalbeteiligungen addieren.

Es ist schlicht ein anderes Modell. Wir sind die einzigen in der Industrie, die dieses Allianz-Modell verfolgen - und es hat sich bewährt. Im Mittelpunkt steht, dass die einzelnen Hersteller ihre Markenidentität und ihre Autonomie bewahren, während sie gleichzeitig von den Synergien profitieren. Deshalb treiben wir Schritt für Schritt die Annäherung voran.

In Deutschland stieg der Marktanteil der Renault-Marken zuletzt auf sechs Prozent. Was ist das nächste Ziel?

Wir wollen weiter zulegen, das ist ja klar. Deutschland ist ein Schlüsselmarkt. Nicht nur wegen der Größe, auch wegen der Leidenschaft, die das Automobil dort auslöst.

Im Land der Auto-Leidenschaft nehmen viele die französischen Hersteller nicht richtig ernst. Bitte erklären Sie den Skeptikern, warum ein Renault so viel taugen soll wie ein deutsches Fabrikat.

Man muss zwischen Wirklichkeit und Vorurteil unterscheiden. Was die Wirklichkeit angeht: Qualität und Zuverlässigkeit unserer Autos nehmen ständig zu. Das erkennen schon manche in Deutschland, sonst würde unser Marktanteil nicht wachsen. Aber man kann sich immer verbessern. Wir sind uns bewusst, dass wir noch viel mehr für die Kundenzufriedenheit tun können.

Trotzdem gibt es Vorbehalte.

Ein Markenimage ist bei Kunden tief verankert. Das macht die eigentliche Kraft einer Marke aus. Diese Vorstellungswelt scheint bei vielen in Deutschland noch nicht mit der Wirklichkeit abgeglichen. So erkläre ich mir die Vorbehalte.

Befördert die durch Volkswagen ausgelöste Diesel-Krise das Ende der Dominanz - vielleicht auch der Arroganz - der deutscher Konzerne?

Die Affäre hatte nicht nur für deutsche Hersteller Folgen, sondern für die ganze Industrie. Das Vertrauen in die Autobranche ist ein gemeinsames, ein geteiltes Gut. Sobald ein Unternehmen Vertrauen verspielt, verlieren dabei alle. Jetzt müssen wir uns zusammen das Vertrauen zurückverdienen - bei den Kunden, aber auch bei den Städten, den Regulierungsbehörden und den Staaten. Wenn ich mit Vertretern anderer europäischer Autokonzerne bei der EU-Kommission vorspreche, dann spüre ich die Anspannung. Alle in der Automobilindustrie gelten jetzt als die bad guys.

Was tun Sie, um klar zu machen: Renault gehört nicht zu den bösen Jungs?

Wir entwickeln Angebote für die veränderten Mobilitätsbedürfnisse. Die Menschen wollen sauberen Verkehr, besonders in den Städten. Wir als Industrie bieten Lösungen an und dürfen nicht den Eindruck erwecken, wir wollten den Trend aufhalten. Unsere Studien zeigen, dass etwa Fahrdienste nur zu einer geringfügigen Kannibalisierung unseres Geschäfts führen. Urbane Mobilität ist das big business der Zukunft.

Sie haben jüngst den Prototyp eines autonom fahrenden Elektro-Shuttles vorgestellt. Will Renault ein Anbieter öffentlichen Nahverkehrs werden - in Konkurrenz zu Stadtwerken und Uber?

Wir laufen uns warm. Wir reden über einen Markt, der 2030 rund 200 Milliarden Dollar groß sein wird. Wobei diese Zahl nur die 200 größten Städte der Welt berücksichtigt. Klar wollen wir unseren Teil vom Kuchen, zumal wir alle nötigen Technologien besitzen. Elektrofahrzeuge? Haben wir - da sind wir mit unserem Schwesterkonzern Nissan Weltmarktführer und verdienen im Unterschied zu anderen Geld. Vernetzung? Ab 2019 werden unsere Modelle vernetzt sein. Autonomes Fahren? Da sind wir in Tests auf öffentlichen Straßen ziemlich weit. Carsharing und Fahrdienste? Bieten wir schon, zum Beispiel in Paris. Wir haben investiert. So verfolgen wir alle Wege. Und mancherorts könnten wir ein Nahverkehrsunternehmen werden, ja.

Im Hier und Heute haben auch Sie ein Diesel-Problem. Die Pariser Justiz ermittelt, eine Expertenkommission schloss nicht aus, dass Sie Betrugssoftware einsetzen.

Das ist nicht korrekt. Die in Frankreich laufenden Untersuchungen betreffen insgesamt 14 Automobilhersteller. Die Renault-Gruppe wird nicht auf die Installation einer Betrugssoftware hin geprüft. Unsere Fahrzeuge entsprechen den gesetzlichen Vorgaben.

Das deutsche Kraftfahrtbundesamt prüft seit Kurzem den Verdacht des Diesel-Betrugs beim Mercedes-Transporter Vito. Renault liefert Motoren für den Vito. Sehen Sie sich in der Verantwortung?

Für die Motorensteuerung ist immer der Autohersteller verantwortlich, in dessen Fahrzeug der Motor eingebaut ist. Ich bin für Renault verantwortlich - und bei Renault gibt es keine Trickserei. Punkt.

Toyota verabschiedet sich in Europa vom Diesel, die deutschen Hersteller aber glauben an ihn. Hat der Diesel eine Zukunft?

Im Renault-Strategieplan bis 2022 haben wir angekündigt, dass wir unser Diesel-Angebot um die Hälfte verringern. Wir haben flexible Strukturen geschaffen, um die Dieselproduktion der Nachfrage anzupassen. Ganz verschwinden wird der Diesel nicht. Jedenfalls kurzfristig bleibt er für Nutzfahrzeuge und Vielfahrer geeignet.

Sie kommen mit der Herstellung des E-Autos Zoé kaum nach. Dennoch schätzen Sie den Anteil reiner E-Cars im Jahr 2022 auf nur fünf Prozent. Warum so schüchtern?

Niemand kann sagen, wie sich die Nachfrage nach reinen E-Autos entwickelt - und wie viel zum Beispiel Hybridantriebe künftig ausmachen. Das Zauberwort heißt Flexibilität. Die Zoé-Produktion fahren wir gerade stark hoch. Hier wagen wir etwas, aber in einem verantwortungsvollen Maß.

Renault pflegt eine enge Zusammenarbeit mit Daimler, die Konzerne sind mit je drei Prozent aneinander beteiligt. Doch in der Branche gibt es Gerüchte, dass gemeinsame Projekte gestoppt wurden.

Unsere Zusammenarbeit läuft hervorragend, nicht nur bei den Kleinwagen Twingo und Smart. Es ist eine freie Partnerschaft, basierend auf gleichgerichteten Interessen. Die Liste an Projektideen ist lang. Angesichts der schwer abschätzbaren Marktentwicklung und der hohen Entwicklungskosten in unserer Industrie bedeutet Zusammenarbeit Risikoteilung. Das ist ein starker Anreiz. Beide Seiten sind sehr motiviert, die Zusammenarbeit zu vertiefen.

Bei Daimler ändert sich die Lage: Mit dem chinesischen Hersteller Geely kommt ein neuer, mächtiger Aktionär. Was würden Sie Geely-Chef Li Shufu gern fragen?

Es ist nicht meine Aufgabe, ihm Fragen zu stellen. Aber natürlich würde ich, wie alle in der Branche, gern mehr über seine Absichten wissen. Wer so viele Milliarden investiert, verfolgt eine Absicht.

Li Shufu sagt, dass mittelfristig nur zwei oder drei Auto-Konglomerate überleben. Glauben Sie das auch?

Bleiben zwei, drei oder zehn Konzerne? Ich weiß es nicht. Größe ermöglicht zwar Einsparungen. Dieses Optimierungspotenzial ist allerdings nicht unendlich, der Automarkt ist es ja auch nicht. Er wächst zwar über 100 Millionen verkaufte Fahrzeuge pro Jahr hinaus, aber 200 oder 300 Millionen Stück wird er nicht erreichen. Die Kernkompetenzen für das Auto der Zukunft, etwa künstliche Intelligenz, sind die Domäne von Google und Apple.

Wie verhindern Sie, dass Sie zum Hardware-Zulieferer degradiert werden?

Das nächste große Ding ist das vernetzte Auto und alle Dienste, die damit verbunden sind. So viel ist klar. Wir werden von den Hightech-Konzernen inzwischen aber nicht mehr als Dinosaurier belächelt. Das kann ich auch daran erkennen, wie überraschend einfach es für uns ist, Entwickler zu gewinnen, die wir brauchen, um selbst so schnell wie möglich unsere Digitalkompetenz auszubauen.

Renault und Nissan teilen Vieles, von der Logistik bis zur Produktion. Sollen beide Unternehmen eines Tages fusionieren?

Heute haben wir das nicht vor. Derzeit wollen wir zwischen Renault, Nissan und Mitsubishi die bestehenden Synergien so weit wie möglich ausreizen, die wir zur Effizienzsteigerung schon definiert haben.

Würden Sie eine ausgeglichenere Kapitalbeteiligung zwischen den Partnern unterstützen? Im Moment werden die Japaner ja ziemlich schlecht gestellt.

Für solche Fragen bin ich nicht zuständig, sondern Carlos Ghosn. Klar ist: Wir wollen unsere Allianz unauflöslich machen. Die enge Verzahnung des operativen Geschäfts ist dabei ein viel mächtigerer Faktor als alles andere.Ghosn sagt scherzhaft, mit der Übergabe der operativen Führung von Renault an Sie und seiner eigenen Fokussierung auf die Allianz erlerne er einen neuen Job.

Was ändert sich für Sie in Ihrer neuen Kronprinzen-Rolle?

Ich trage mehr Verantwortung. Ich muss dafür sorgen, dass Renault seine Ziele im Hinblick auf Absatz, Profitabilität und neue Dienstleistungen erreicht. Es gibt noch so viel zu tun, um das ganze Potenzial des Unternehmens zu nutzen. Außerdem will ich , dass Renault so viel wie möglich zur Allianz mit Nissan und Mitsubishi beiträgt.

Und in vier Jahren, wenn die Verträge auslaufen, beerben Sie Carlos Ghosn?

Vorrang hat die Ausführung unseres strategischen Plans.

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