Washington. Der „Black Friday“ läutet im amerikanischen Einzelhandel traditionell das Weihnachtsgeschäft ein, und die Stimmung war in den vergangenen Jahren selten so gut wie heute: Große Warenhäuser öffnen bereits ab fünf Uhr früh, um den großen Andrang der Kunden am Tag nach dem Erntedankfest „Thanksgiving“ ein wenig zu entzerren. Wer den US-Bürgern Konsumismus verwerfen will, der dürfte sich angesichts der Rabattschlacht bestätigt fühlen. Wer dagegen einen kühleren Blick aufs Geschehen wirft, stellt fest: Trotz aller politischen Turbulenzen geht es der größten Volkswirtschaft der Welt wieder erstaunlich gut. Die wesentlichen Kennziffern der Ökonomen zeigen allesamt nach oben.
Das Schicksal der einfachen Arbeiter stand im Zentrum des Wahlkampfes von Donald Trump. In unzähligen Städten des Landes hatte der New Yorker Immobilienmogul seinen Anhängern zugerufen, die Jobs aus China und Mexiko zurück in die USA zu holen. Doch so lautstark das Publikum vor Ort auch jubelte, so wenig glaubte ihm die Fachwelt. Für Aufsehen sorgte der einst so legendäre Milliardär George Soros, der vor einem Quasi-Zusammenbruch Amerikas warnte und auf den Niedergang der US-Wirtschaft wettete - und mittlerweile unzählige Millionen Dollar verlor. Ebenso daneben - wenn auch nicht mit solchen finanziellen Folgen - lagen diverse Wirtschaftsprofessoren, die vor einer erneuten Rezession warnten.
Egal, wer verantwortlich ist
Ob sich die Kassandrarufe der Gelehrten in den kommenden Jahren bewahrheiten, weiß niemand. Fest steht aber, dass es in den ersten zwölf Monaten der 45. Präsidentschaft spürbar aufwärtsging. Waren es zunächst nur die Börsianer, die ein wahres Feuerwerk zündeten, da sie sich von einem Unternehmer im Weißen Haus eine wirtschaftsfreundliche Politik versprechen, ziehen mittlerweile auch kleine und mittlere Unternehmen nach. Ganz gleich, welche Bevölkerungsgruppe befragt wird, kommen die Meinungsforschungsinstitute auf ähnliche Einschätzungen: Was die persönlichen Aussichten anbelangt, wächst der Optimismus - wenngleich der Präsident in den Umfragen immer weiter abstürzt. Viele unabhängige Beobachter staunen jedenfalls über den Börsenindex S & P 500, der den Marktwert seiner Konzerne innerhalb von zwölf Monaten um 20 Prozent erhöhte. Trump sagt erwartungsgemäß: „Die Börse hat ihren Erfolg mir zu verdanken.“ Doch selbst die „New York Times“ räumt ein: „Egal, wer für diesen Hype verantwortlich ist, er kommt der Regierung zugute.“
Einmal mehr zeigt sich, wie sehr die Wirtschaftsentwicklung von der allgemeinen Stimmung abhängig ist: Nach den jüngsten Daten des Handelsministeriums erleben die Vereinigten Staaten zurzeit ein schnelleres Wachstum als die breite Mehrzahl der Industrienationen. Und spätestens seit dem Sommer herrscht nach übereinstimmender Meinung der Ökonomen Vollbeschäftigung. Es sind sogar bereits Stimmen zu hören, die vor einem Fachkräftemangel warnen.
Insourcing zurück in USA
Noch aber überwiegt die Aufbaustimmung: In Anacostia, dem ärmsten Viertel der US-Hauptstadt, herrscht angespannte Nervosität, da sich der Mammutkonzern Amazon für einige Brachflächen interessiert, die als zweites Hauptquartier in Frage kommen könnten. Eine ähnlich erwartungsvolle Stimmung herrscht in den Bundesstaaten Alabama und South Carolina, die auf die Bekanntgabe eines neuen Toyota-Standortes warten. Die Liste ließe sich fortsetzen, da sich diverse Branchen in einem wahren Gründerfieber schütteln.
Man mag es kaum glauben, aber einige große Unternehmen holen ihre Werke sogar wieder zurück in den einst so teuren Produktionsstandort Amerika: Angefangen von Caterpillar, der seine Baumaschinen und Dieselmotoren anstatt in Fernost nun im Süden der USA baut, bis hin zum Sportartikelhersteller Adidas, der eine weitgehend robotergestützte „Speedfactory“ bei Atlanta baut - der Prototyp der „Speedfactory“ startete gerade erst vor drei Monaten im fränkischen Ansbach.
Ein Trend, der bereits vor Trumps Präsidentschaft einsetzte, aber offenbar an Tempo gewinnt: Laut Erhebung des Handelsministeriums wurden 2016 mehr als 70.000 Jobs in die USA zurückverlagert, und in diesem Jahr rechnen die Statistiker mit einer deutlich höheren Zahl.
Digitalisierung und Lohnangleichung
Andrew Liveris, CEO des Konzerns DowDuPont, hat sich mit den Ursachen eingehend beschäftigt und sieht eine grundlegende Verschiebung. In einer Podiumsdiskussion an der Universität von Pennsylvania in Philadelphia skizzierte der 63-jährige Topmanager in diesen Tagen einige künftige Entwicklungen: Angesichts der weiter zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung in den Fabrikhallen würden die Lohnkosten in den Produktionsprozessen eine immer geringere Rolle spielen. Zugleich würden sich die Löhne - gerade auch im Ingenieurwesen - über die Kontinente hinweg angleichen - auch wenn sie längst noch nicht gleich seien. „Für Unternehmen, die auf eine enge Verzahnung von Forschung und Produktion angewiesen sind, ergeben Auslagerungen ins Ausland immer weniger Sinn“, so Liveris’ Fazit. Amerika wiederum stehe vor der Herausforderung, die Arbeitnehmer auf die neuen Jobs entsprechend vorzubereiten: „Meine große Sorge ist, dass wir für die anspruchsvolleren Jobs nicht genügend geeignete Bewerber finden.“
Auf diese Hintergründe kommt Trump in der Öffentlichkeit nicht zu sprechen. Der Marketing-Meister ist zwar rechtzeitig auf einen Zug aufgesprungen, der sich gerade in Bewegung setzt und langsam an Fahrt gewinnt. Ob der Präsident aber auch in der Lage ist, die Zukunftsmaschinerie richtig zu steuern, muss sich erst noch zeigen.
Von Stefan Koch
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