Weder die Ungewissheit über den Brexit noch andere schwelende Krisen scheinen derzeit das Wirtschaftsklima in Europa wesentlich zu trüben. Im Gegenteil: Geht es nach der am Donnerstag veröffentlichten Herbstprognose der EU-Kommission, wird der Euro-Raum im laufenden Jahr mit einem realen Zuwachs des Bruttoinlandprodukts (BIP) um 2,2% das stärkste Wachstum seit zehn Jahren verzeichnen. Damit hat die Brüsseler Behörde ihre im Mai vorgelegte Frühjahrsprognose, die noch von einem Plus um 1,7% ausging, massiv nach oben korrigiert.
Auch in der ganzen EU (EU-28) dürfte das BIP-Wachstum im laufenden Jahr mit 2,3% robuster ausfallen als im Frühling erwartet (1,9%). Für 2018 und 2019 gehen die Brüsseler Auguren für beide Wirtschaftsräume von einer leichten Abschwächung des Wachstums auf je 2,1% bzw. 1,9% aus. Damit haben sie auch die Werte für das nächste Jahr nach oben revidiert.
Im laufenden Jahr ist die europäische Wirtschaft laut Kommission dank dem robusten privaten Konsum, dem höheren Wachstum der Weltwirtschaft und einer sinkenden Arbeitslosigkeit viel stärker gewachsen als erwartet. Dazu beigetragen hätten auch die günstigen Finanzierungsbedingungen – sprich: die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank – und ein Nachlassen der Unsicherheit.
Der EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sprach vor den Medien vom Eintritt in eine neue Phase des Aufschwungs. Eine längere Phase einer verhaltenen Expansion sei in ein robusteres und langlebiges Wachstum gemündet. Er räumte aber auch ein, dass in früheren Aufschwungphasen noch höhere Wachstumsraten zu verzeichnen gewesen seien.
2017 dürften erstmals seit zehn Jahren sämtliche 28 EU-Staaten ein BIP-Wachstum verzeichnen. Besonders hoch fällt dieses in einigen osteuropäischen Staaten aus, mit Rumänien (+5,7%) an der Spitze. Grossbritannien hingegen scheint nun doch unter der Unsicherheit über den Verlauf des Brexit zu leiden: Mit einem BIP-Wachstum um nur 1,5% dürfte es im laufenden Jahr zusammen mit Italien die rote Laterne tragen. Für 2018 und 2019 erwartet die Kommission selbst unter der - rein technischen - Annahme, dass es bei den Handelsbeziehungen zur EU-27 beim Status quo bleibt, mit einem weiteren Rückgang des britischen Wachstums auf 1,3% bzw. 1,1%. 2019 würden die Briten damit nur knapp vor dem Schlusslicht Italien (1,0%) liegen.
EU-weit wird die noch immer hohe Arbeitslosigkeit vor dem Hintergrund des kräftigen Wachstums allmählich sinken. Die Kommission erwartet einen Rückgang der Arbeitslosenquote des Euro-Raums von 9,1% in diesem Jahr auf 7,9% im Jahr 2019. Damit bleiben aber Ressourcen auf den Arbeitsmarkt ungenutzt, was laut Moscovici zusammen mit dem schwachen Produktivitätswachstum das Lohnwachstum dämpfe. Für den Kommissar bildet das schwache Wachstum der Gehälter zusammen mit der noch immer zu hohen Verschuldung die grösste verbliebene Herausforderung. Die Mitgliedstaaten müssten deshalb mit entschlossenen Anstrengungen dafür sorgen, dass die Erholung anhalte und ihre Früchte gerecht verteilt würden, betonte er.
Der geringe Anstieg der Löhne und die anhaltende Unterauslastung am Arbeitsmarkt tragen zudem dazu bei, dass die Inflationsaussichten gemessen an den Konsumentenpreisen gedämpft bleiben. Für 2017 erwartet die Kommission im Euro-Raum eine Inflationsrate von durchschnittlich 1,5 (i.V. 0,.2)%, in den nächsten beiden Jahren 1,4% und 1,6%.
Dank der konjunkturellen Belebung verbessert sich auch die Lage der öffentlichen Finanzen. 2017 wird laut der Prognose nur noch Spanien mit einem Staatsdefizit von 3,1% des BIP den Maastricht-Referenzwert von 3% überschreiten, während ihn Rumänien mit 3,0% gerade streifen und 2018 überschreiten könnte. Die Staatsverschuldung dürfte indessen in einigen Euro-Staaten über den ganzen Prognosezeitraum hinweg sehr hoch bleiben: In Griechenland könnte sie bis 2019 auf noch immer 170,1% des BIP sinken, in Italien auf 130% und in Portugal auf 121,1%.
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