Search

Big China is watching you

Wirtschaft: Big China is watching you

Danke für Ihre Bewertung!

0

Big Data soll die Vorherrschaft der Kommunistischen Partei im 21. Jahrhundert sichern. Staats- und Parteichef Xi Jinping strebt über die digitalen Kanäle eine totale Überwachung der Bevölkerung an. Am Mittwoch hat der 19. Parteitag begonnen – Xi will seine Macht ausbauen.

Sie sehen alles. Sie kombinieren blitzschnell. Wer von ihnen erwischt wird, kann nicht mehr entkommen. Und sie sind überall: denkende Kameras, ausgestattet mit intelligenten Chips, die die Einwohner der chinesischen Stadt Shenzhen überwachen. Bis zum Ende des Jahres sollen es 100.000 sein. Wer als Fußgänger eine rote Ampel missachtet, auf die Straße spuckt, als Autofahrer drängelt oder zu schnell fährt, erhält in Sekundenschnelle ein Bußgeld und kann es ebenso schnell über eine App bezahlen.

Mit Gesichtserkennung einen Kindesentführer stellen

„Ein Chip mit künstlicher Intelligenz zur Gesichtserkennung ist ein Muss in Zukunft“, schwärmt Chen Ning, 42, Co-Gründer der Firma IntelliFusion, die die Kameras entwickelt hat. „Damit Maschinen nicht nur die Welt sehen, sondern sie auch verstehen und in Echtzeit verarbeiten können.“ Bekannt wurde das Start-Up, als es der Polizei in Shenzhen vor einiger Zeit gelang, mithilfe der neuen Gesichtserkennungstechnik eine Kindesentführerin zu stellen. Auf seiner Website wirbt Chen mit „science-fiction-mäßigen Überwachungssystemen, die Städte sicherer machen“. Seine Firma arbeitet an Systemen, mit denen Verbrechen erkannt werden, bevor sie begangen werden. Wie in Steven Spielbergs „Minority Report“.

Chens Zukunftsvisionen sind ganz nach dem Geschmack von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Denn Chinas roter Herrscher will die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bis 2030 zu einer Art Super-Inkubator machen. Künstliche Intelligenz und neueste Informationstechnologien sollen die Wachstumstreiber der Wirtschaft schlechthin werden. Deshalb pumpen staatliche Fonds, Investoren und nationale Tech-Champions Milliarden in Start-Ups wie IntelliFusion in Shenzhen.

China will 148 Milliarden Dollar mit künstlicher Intelligenz machen

2016 flossen nach Angaben des chinesischen WuZhen-Instituts mit 2,6 Milliarden Dollar zwar noch deutlich weniger Mittel in den Bereich künstliche Intelligenz als in den USA (17,9 Mrd.), aber schon mehr als in Großbritannien (800 Mio.). Für 2030 plant Xi einen Umsatz von 148 Milliarden Dollar.

Den Wettbewerb gewinnen werde aber nicht der mit dem besten Algorithmus, sondern der mit den meisten Daten, sagt Chen. Und da ist China mit seinen 731 Millionen Internet-Nutzern eindeutig im Vorteil. Viele wickeln ihren Alltag ausschließlich über das Smartphone ab, bezahlen über Alibabas Dienst Alipay die U-Bahn, das Taxi, die Steuern und das Gemüse am Kiosk um die Ecke. China ist auf dem Weg zur bargeldlosen Gesellschaft, und Datenschutz kommt darin nicht vor. „Bei chinesischen Konsumenten gibt es sehr, sehr wenige Bedenken in Sachen Datensicherheit“, sagt Björn Conrad vom Berliner Mercator-Institut für China-Studien (MERICS).

Chinas Behörden scheren sich erst recht nicht darum. So reichte die Stadt Fuzhou in diesem Jahr eine riesige Menge von Patientendaten an Firmen weiter, damit sie eine Software zur Entdeckung von Herzkrankheiten entwickeln. Die Behörden in Beijing setzen Gesichtserkennung sogar in öffentlichen Bedürfnisanstalten ein – um Nutzer vom Klau des Toilettenpapiers abzuhalten.

Hier den Politik-Newsletter abonnieren

Berichte, Videos, Hintergründe: Von Montag bis Freitag versorgt Sie FOCUS Online mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Politik-Ressort. Hier können Sie den Newsletter ganz einfach und kostenlos abonnieren.

Die politische Bedeutung von "Big Data"

Wer jedoch nur Chinas wirtschaftliche Ambitionen auf digitale Vorherrschaft sieht, denkt zu kurz. Der Ehrgeiz ist Teil eines viel größeren Plans. Xi, den Mitarbeiter gern als Workaholic bezeichnen, hat längst die politische Bedeutung von Big Data erkannt. Daten sollen die Macht der Kommunistischen Partei im 21. Jahrhundert sichern. Nur wenn diese alles von jedem Bürger weiß, kann sie Aufstände wie die in der Ukraine verhindern. Stabilität lautet das oberste Ziel – erreichbar durch die totale Kontrolle über das Internet und kanalisierte Datenströme, am liebsten ein zentrales Datennetz in den Händen der Partei.

„Digitale Souveränität“ nennt Xi das – das Recht jeder Nation, eigene Spielregeln aufzustellen. Auf dem am 18. Oktober beginnenden Parteitag wird er sich dieses Konzept noch einmal absegnen lassen und danach seine zweite Amtszeit beginnen. Schon jetzt gilt Xi als einer der mächtigsten Parteichefs seit Mao. Innerparteiliche Gegner räumte er beiseite, den Einfluss der KP auf Wirtschaft und Gesellschaft dehnte er systematisch aus.

"Rote Wolke" soll dass Volk disziplinieren - und Xis Partei

Neue Technologien sollen auch die Partei disziplinieren. So müssen sich zwei Millionen Genossen in der Provinz Sichuan seit diesem Sommer testweise besonderer Überwachung unterziehen. In einer „smart red cloud“, einer schlauen roten Wolke, wie die KP das Experiment taufte, werden Posts in sozialen Medien, Kontostände, Arbeitseinsatz oder Immobilienbesitz erfasst. Ein Algorithmus erstellt daraus ein Charakterbild – von dem die weitere Karriere abhängt.

Die rote Wolke werde Chinas Politik verändern, schwärmt Prof. Zheng Chanzhong von der Parteihochschule in Chongqing. „Im digitalen Zeitalter ist es nicht nur die Wirtschaft, die neue Technologien einsetzen muss, auch die Partei“, pflichtet Kollege Su Wei bei. „Sonst fällt sie zurück.“

Xis wichtigstes Projekt auf dem Weg zur totalen Kontrolle ist ein „gesellschaftliches Bonitätssystem“, welches das Verhalten von Unternehmen und Bürgern bewertet. Bis 2020 soll es in seinen Grundzügen stehen. Firmen, die gegen Umweltauflagen verstoßen oder unfaire Praktiken einsetzen, müssen dann etwa höhere Steuern zahlen oder werden von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. Ob Bürger künftig Kredite bekommen, könnte dann nicht nur davon abhängen, ob sie ihre Rechnungen pünktlich zahlen, sondern auch, ob sie zu viele Partys feiern. In einem der Pilotprojekte wertete der Algorithmus negativ, dass jemand lange vor dem Bildschirm mit Videospielen verbrachte, und positiv, dass er häufiger Windeln kaufte, also wohl ein sorgender Familienvater war.

Das Bonitätssystem, warnt Mirjam Meissner von MERICS, müssten auch ausländische Unternehmen ernst nehmen, denn sie sollen darin integriert werden. Es könne zwar zu mehr Gleichbehandlung auf dem chinesischen Markt führen, aber es greife auch in die unternehmerische Freiheit ein, wenn Unternehmer über Boni gezwungen würden, in Technologiebereiche zu investieren.

Xi Jinping - Chinas Präsident will "Armee von Weltklasse" aufbauen

Eine der entscheidenden Fragen wird sein, wie sehr Chinas Tech-Champions ihre Daten zur Verfügung stellen. Nach dem Willen der Regierung sollten alle Internet-Firmen ihre Datensätze über eine zentrale Clearing-Stelle schleusen. Ein neues Cyber-Security-Gesetz schreibt ihnen zudem vor, wichtige Daten nur auf Servern in China zu speichern.

China zensiert Tabu-Themen

Die Cyberspace-Behörde verurteilte Baidu, Tencent und Weibo zu Geldstrafen, weil sie Pornografie, Gewalt und Fake News verbreitet hätten. Denn auch für die Moral im Netz will die Partei neue Maßstäbe setzen. Die Manager von Chat-Gruppen sollen darauf achten, dass die Mitglieder eine „gesunde Online-Kultur“ umsetzen. Tabu sind demnach Themen wie Homosexualität oder exzessives Trinken. Und der Druck scheint zu wirken: Weibo warb kürzlich 1000 „Weibo-Supervisoren“ an, die seine Kurznachrichten auf schädliche Inhalte durchforsten sollen.

Was Xi gerade umsetzt, ist längst keine Science-Fiction mehr. Das Land scheint auf dem Weg in eine digitale Diktatur – mit dem Potenzial, Nachahmer zu finden. „Zwei Drittel aller Internet-Nutzer weltweit leben in Ländern, wo Kritik an der Regierung der Zensur unterliegt“, heißt es in einem Beitrag des US-Dienstes Techcrunch, „es liegt nahe, dass Chinas autoritäres, auf künstliche Intelligenz gestütztes Modell zu einer Softpower auf der internationalen Bühne wird – sollte es erfolgreich sein.“ Es wäre der Gegenentwurf zu den westlichen liberalen Marktwirtschaften.

Im Video: "Atomkrieg kann jeden Moment ausbrechen": Nordkoreas bedrohliche Warnung an die USA

Let's block ads! (Why?)



Bagikan Berita Ini

Related Posts :

0 Response to "Big China is watching you"

Post a Comment

Powered by Blogger.