Im Koalitionsvertrag der neuen nordrhein-westfälischen Landesregierung haben sich CDU und FDP auf die Einführung eines Schulfachs Wirtschaft verständigt: „Ökonomische Bildung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung. Christdemokraten und Freie Demokraten werden daher an allen weiterführenden Schulen das Schulfach Wirtschaft etablieren“, heißt es im Koalitionsvertrag. Noch ist offen, wie ein solches Schulfach genau aussehen wird, im Mittelpunkt sollen aber „Kenntnisse unserer Wirtschaftsordnung“ und „Aspekte der Verbraucherbildung“ stehen.
Es ist uneingeschränkt zu begrüßen, dass sich die Politik in Nordrhein-Westfalen der ökonomischen Bildung annimmt. Denn selbst der ärgste Kapitalismuskritiker wird nicht umhinkommen, zugeben zu müssen, dass moderne Gesellschaften Marktgesellschaften sind. Ob man die Leistungen von Markt und Wettbewerb nun befürwortet oder sie kritisiert – um gute Argumente in den öffentlichen und politischen Diskurs einbringen zu können, braucht man Wirtschaftswissen. Man muss schon romantische Vorstellungen von schulischer Bildung haben, wenn man Schülern eine angemessene Wirtschaftsausbildung vorenthalten wollte. Ökonomisches Verstehen und wirtschaftliche Kompetenzen werden zu einem weiten Maße in Schule und im Elternhaus erlernt. Wenn man weiß, wie schwierig die familiären Sozialisationsbedingungen zu ändern sind, wird klar, welche Bedeutung der schulischen ökonomischen Bildung für eine chancengerechte Gesellschaft zukommt. Leider fehlt in vielen Bundesländern ein geeigneter Wirtschaftsunterricht in den Schulen.
Der Vorstoß der Düsseldorfer Landesregierung, ein Unterrichtsfach Wirtschaft einzuführen, wird abermals Debatten auslösen, wie wir sie in Baden-Württemberg beobachten konnten, wo seit dem Schuljahr 2016/17 Wirtschaft auf dem Stundenplan steht. Sehen die einen nun endlich die ökonomische Bildung auf den rechten Weg gebracht, wittern andere die Gefahr, dass die Jugend „ökonomisiert“ und zum Büttel des Kapitals erzogen wird. Dieser ideologische Disput, der von Vertretern beider Seiten mit einer erstaunlichen Ausdauer betrieben wird, geht aber am Kern des Problems vorbei.
Eine ernsthafte Einübung ökonomischen Denkens ist nötig
Letztlich muss ein guter Unterricht zu wirtschaftlichen Themen über den Inhalt und nicht über das Etikett definiert werden: Er muss eine ernsthafte Einübung in ökonomisches Denken sein, das zur Reflexion anregt. Wirtschaftlicher Unterricht sollte so erstens vermitteln, wie und unter welchen Bedingungen Märkte funktionieren. Es geht zweitens um eine ökonomische Denkweise. Zu verstehen, dass Ökonomen in Alternativen und deren Bewertungen denken („Opportunitätskosten“), wird das umfassende wirtschaftliche Verständnis von Schülerinnen und Schülern weit mehr befördern, als zu wissen, dass zum Beispiel ein Modernisierungskredit ein zweckgebundener Ratenkredit ist.
Hinzukommen muss drittens die Kenntnis darüber, dass wirtschaftliche Entwicklungen immer Teil gesellschaftlicher Prozesse sind – und deswegen auch vor dem Hintergrund politischer, rechtlicher und normativer Perspektiven diskutiert und beurteilt werden müssen. Viertens bedarf es der Rückbindung an die Lebenswelt der Jugendlichen, wie es im Begriff der Verbraucherbildung zum Ausdruck kommt – was freilich nicht eine Beratung zum Auffinden günstiger Handytarife meint, sondern die pädagogische Begleitung der wirtschaftlichen Sozialisation. Es geht um die Erziehung zu Selbstbestimmung und Mündigkeit. Sind diese vier Punkte Gegenstand ökonomischer Bildung, dann ist es weitestgehend egal, ob dieses Wissen in einem eigenen Fach oder in einem Integrationsfach wie Sozialwissenschaften erworben wird. Wichtig ist, dass das ökonomische Denken fachkundig, eigenständig und zugleich reflexionsorientiert vermittelt wird.
Die Lehrerausbildung ist ein Skandal
Kommt es auf die kompetente Vermittlung ökonomischen Denkens an, rückt die Qualität der Lehrerausbildung in den Vordergrund. Hier liegt der eigentliche Skandal. Studierende, die im Rahmen eines Integrationsfachs ihre wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung erhalten, haben zumeist nur einen verschwindend geringen Anteil ökonomischer Kurse. Und nicht selten sind dies Veranstaltungen, die für die Fachwissenschaftler entwickelt wurden. Zwar kommt es den Fakultäten günstig, die Lehramtsstudierenden in Mikroökonomie, Makroökonomie und Statistik für Volkswirte zu setzen und sie nicht selten an mathematischen Hürden scheitern zu lassen. Dass daraus aber in den meisten Fällen nur Frust und Abneigung gegenüber der Wirtschaftswissenschaft resultiert (was dann später im Unterricht weitergegeben wird), ist offensichtlich und lehrt die Erfahrung.
Es ist absurd, dass wohl die meisten angehenden Lehrer in ihrem Wirtschaftsstudium nie die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik – die Soziale Marktwirtschaft – kennengelernt haben, diese aber später ein Kernanliegen ihrer Arbeit sein sollte. Wer gute Wirtschaftslehrer an den Schulen haben möchte, braucht eigene Veranstaltungen und Dozenten an den Universitäten, die tatsächlich auf die späteren inhaltlichen Herausforderungen sowie spezifischen didaktischen und pädagogischen Aufgaben des Wirtschaftsunterrichts vorbereiten. Nur wenn systematisch und dauerhaft in die ökonomische Lehramtsausbildung investiert wird, wird die Einführung eines Unterrichtsfachs Wirtschaft mehr sein als ein politischer Schachzug.
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