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Türkei-Krise: Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Hei ru yu na mi ta yu re Türkei-Krise: Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Berlin/Hannover. Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher werden die Reisehinweise des Auswärtigen Amts für das beliebte Urlaubsland verschärft, wie Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag in Berlin sagte. Das Außenamt rät Türkei-Reisenden nun zu „erhöhter Vorsicht“.

DRV: Türkei-Reisen finden wie gebucht statt

Das bringt nun neue Unsicherheit für die Touristikbranche. Sicherheitsbedenken und politische Großwetterlagen beeinflussten das Urlaubsverhalten, sagte eine Sprecherin des Deutschen Reiseverbandes DRV. Wie sich das im Einzelfall konkret auswirke, sei derzeit aber nicht abzusehen. „Das werden die Buchungen in den nächsten Tagen und Wochen zeigen.“ Für die Gewährung kostenfreier Stornierungen oder Umbuchungen sehen Veranstalter bisher keinen Anlass.

Noch habe das Auswärtige Amt keine Neubewertung der Sicherheitslage vorgenommen, so dass es auch keine Verschärfung der Reisehinweise und keine Reisewarnung für das Land gebe, so der DRV. Große Reiseveranstalter wie Tui Deutschland und Thomas Cook (Neckermann Reisen, Öger Tours) schließen sich ebenfalls den Beurteilung des DRV an. Für Stornierungen und Umbuchungen gälten nach aktueller Lage die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Veranstalter.

Verbraucherzentrale fordert Kulanz bei Umbuchungen

Verbraucherschützer forderten angesichts der neuen Eskalationsstufe die Reiseveranstalter zu Kulanz bei Umbuchungen auf. „Wenn das Auswärtige Amt jetzt auch Reisende zu erhöhter Vorsicht mahnt und bei kurzfristigen Aufenthalten empfiehlt, sich in Listen bei Konsulaten und Botschaften einzutragen, gehen Urlaubsfreuden und Erholung baden“, sagte NRW-Verbraucherzentralenvorstand Wolfgang Schuldzinski einer Mitteilung zufolge.

Die aktuelle Zuspitzung der Krise konnten die großen Reiseveranstalter zwar nicht vorhersehen, auf ein rückläufiges Türkeigeschäft hatten sie sich aber bereits im letzten Jahr eingestellt. Tui, Thomas Cook und Co. hatten ihr Flug- und Hotelangebot für Türkei-Reisen bereits 2016 gekappt, um nicht auf Flugtickets und leeren Hotelzimmern sitzenzubleiben.

Tui brachte im vergangenen Jahr rund eine Million Urlauber in das Land, wie Konzernchef Fritz Joussen berichtet hatte. Im Jahr 2015 waren es noch doppelt so viele gewesen. Profiteure waren etwa Spanien, Portugal und Griechenland. Dort registrierten die Reiseveranstalter kräftige Buchungszuwächse.

Industrie erwartet Handelsrückgang von mehr als 10 Prozent

Während die Auswirkungen auf die Tourismusbranche noch nicht abzusehen sind, werden von der Wirtschaft bereits konkrete Zahlen genannt. „Aufgrund der jüngsten Zuspitzung der politischen Spannungen ist sogar mit einem Handelsrückgang von mehr als zehn Prozent zu rechnen“, sagte Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Für deutsche Unternehmen dürfte es künftig noch risikoreicher werden, in der Türkei zu investieren. Denn die staatliche Absicherung von Geschäften und Investitionen wackelt. Die Bundesregierung stellt die Absicherung von Geschäften und Exporten über Hermes-Bürgschaften sowie von Investitionskrediten auf den Prüfstand – ebenso die Wirtschaftshilfe. Das ist Teil der Neuausrichtung der Türkei-Politik der Bundesregierung.

„Man kann niemandem zu Investitionen in ein Land raten, wenn es dort keine Rechtssicherheit mehr gibt und sogar Unternehmen, völlig unbescholtene Unternehmen, in die Nähe von Terroristen gerückt werden“, sagte Gabriel. Es müsse daher darüber geredet werden, wie der Hermes-Bürgschaftsrahmen entwickelt werde und wie mit Investitionskrediten und mit Wirtschaftshilfe umgegangen werde.

Nach Angaben Gabriels beschuldigt die Türkei deutsche Unternehmen der Terrorunterstützung. Es gehe um pauschale Vorwürfe gegen Dutzende Unternehmen. Nach einem Bericht der „Zeit“ soll die türkische Regierung eine Liste mit angeblichen Terrorunterstützern übergeben haben, auf der die Namen von 68 Unternehmen und Einzelpersonen stünden, darunter Daimler und BASF.

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries.

Quelle: dpa

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach von einem „Tiefpunkt“ in den Wirtschaftsbeziehungen: „Wenn unbescholtene deutsche Unternehmen plötzlich auf „schwarzen Listen“ auftauchen und als Terror-Unterstützer gebrandmarkt werden, dann ist das ein Klima, das weitere Geschäfte und Investitionen in der Türkei äußerst schwierig macht.“

DIHK: Investitionen deutscher Firmen in der Türkei kaum denkbar

„In einem solchen Umfeld ist an Neuinvestitionen deutscher Unternehmen in der Türkei kaum zu denken“, sagt DIHK-Mann Treier. „Die Einschränkung von Exportkreditversicherungen und Investitionsgarantien würden die Investitionszurückhaltung deutscher Unternehmen jetzt noch bestärken“, so der Experte.

Deutschland ist nach Angaben der Außenwirtschaftagentur wichtigster Abnehmer türkischer Produkte und nach China zweitgrößter Lieferant. Der Warenaustausch zwischen beiden Ländern macht ein Zehntel des türkischen Handelsvolumens aus. Mit Hermes-Bürgschaften sichert der Staat Auslandsgeschäfte deutscher Unternehmen gegen wirtschaftlich und politisch bedingte Zahlungsausfälle ab.

Schon zuletzt haben deutsche Unternehmen Risiken im Geschäft mit der Türkei gescheut. Das Handelsvolumen mit der Türkei unter dem Hermes-Schutzschirm ist 2016 nach Angaben des Wirtschaftsblattes „Capital“ um rund die Hälfte gesunken. Als Grund für die Zurückhaltung hätten Unternehmen mangelndes Vertrauen in das Rechtswesen und die politische Stabilität des Landes genannt. Im ersten Halbjahr 2017 betrug das Deckungsvolumen laut Bundeswirtschaftsministerium rund 0,68 Milliarden Euro.

Nach Angaben der deutsch-türkischen Außenhandelskammer sind derzeit mehr als 6.800 deutsche Unternehmen in der Türkei engagiert. Die Türkei ist ein für die deutsche Wirtschaft bedeutender Abnehmer von Automobilen und Kfz-Zubehör. Darüber hinaus liefert Deutschland alle klassischen Industrieprodukte und pflegt auch in der Textilbranche einen intensiven Austausch. 2016 exportierte die deutsche Wirtschaft Güter im Wert von rund 22 Mrd. Euro in die Türkei.

Von dpa/RND/abr

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