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Schonfrist für Wirtschaft und Bürger nach dem Brexit

In einem Jahr geht Großbritannien raus aus der EU - vor allem die Wirtschaft hatte diesem Datum entgegengezittert. Eine Übergangsphase verschafft Unternehmen und Bürgern nun etwas mehr Planungssicherheit.

Brüssel (dpa) - Nach dem britischen EU-Austritt in einem Jahr soll bis Ende 2020 erst einmal alles bleiben wie bisher: Die Europäische Union und Großbritannien sind sich einig über eine 21-monatige Übergangsfrist.

Diesen Durchbruch verkündeten der EU-Unterhändler Michel Barnier und Brexit-Minister David Davis in Brüssel. Die Entscheidung bedeutet vor allem mehr Zeit für Unternehmen und Bürger, um die Folgen des Brexits abzufedern. Die Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals reagierte erleichtert.

Dass der Kompromiss gelang, gilt auch als wichtiger Schritt hin zu einem geordneten Austritt Großbritanniens. "Das ist in meinen Augen eine entscheidende Etappe", sagte Barnier. "Aber eine Etappe ist eben eine Etappe. Wir sind noch nicht am Ende des Weges." Der EU-Gipfel soll am Freitag Zwischenbilanz ziehen und die nächste Verhandlungsphase starten.

Großbritannien will Ende März 2019 die EU, den gemeinsamen Binnenmarkt und die Zollunion nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft verlassen. Erwartet wird ein dramatischer Bruch mit möglichen neuen Zoll- und Grenzkontrollen, der Handel und gemeinsame Produktionsketten schwieriger macht. Auch können Bürger dann nicht mehr einfach aus der EU nach Großbritannien ziehen und umgekehrt. Großbritannien hatte deshalb eine etwa zweijährige Übergangsphase vorgeschlagen. Auf Wunsch der EU wird sie nun etwas kürzer ausfallen.

In der Zeit soll sich Großbritannien weiter an alle EU-Regeln halten und auch finanzielle Beiträge wie bisher nach Brüssel überweisen. EU-Bürger können sich in Großbritannien niederlassen - und umgekehrt. Dafür behält das Vereinigte Königreich Zugang zum EU-Binnenmarkt und bleibt Teil der Zollunion. Zugeständnis der EU: London darf in der Zeit bereits eigene Handelsverträge mit anderen Ländern aushandeln und ratifizieren. Sie dürfen aber erst ab 2021 in Kraft treten.

Davis sprach von "einer Brücke in die Zukunft", vor allem für Unternehmen. Sie hätten "jetzt Sicherheit über die Bedingungen, die unmittelbar nach unserem Austritt herrschen". Der Bundesverband der Deutschen Industrie begrüßte die Übergangsperiode - sie sei dringend nötig, um fürs Erste Härten zu vermeiden. Auch der britische Unternehmensverband CBI kommentierte: "Das ist ein Sieg für den gesunden Menschenverstand." Beide Verbände drangen aber darauf, weitere Hürden auszuräumen und die künftigen Beziehungen zu klären.

London wünscht ein umfassendes Freihandelsabkommen mit Zugang zum Binnenmarkt für einzelne Branchen. Die EU ist zurückhaltend und will "Rosinenpicken" unbedingt vermeiden. Die Gespräche darüber sollen im April losgehen.

Gleichzeitig wird weiter am geplanten Austrittsabkommen gefeilt, das die EU bis Oktober unter Dach und Fach bringen will. Die Übergangsperiode kommt nur, wenn der Vertrag gelingt und rechtzeitig von beiden Seiten ratifiziert wird. "Nichts ist vereinbart, bis nicht alles vereinbart ist", sagte Barnier. Man sei sich über große Teile einig, aber es bleibe viel Arbeit. Beide Seiten veröffentlichten einen 130-seitigen Entwurf, in dem noch etliche Passagen strittig sind.

Knackpunkt bleibt die Vermeidung einer festen Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland. Die EU rang Großbritannien die Bestätigung ab, dass notfalls im Norden der Insel weiter wichtige EU-Regeln gelten sollen - "falls und solange keine andere Lösung gefunden wird", wie Barnier sagte.

Für Großbritannien ist das ein heikler Punkt. Bliebe Nordirland faktisch Teil der Zollunion und des Binnenmarktes, entstünde eine Grenze zum Rest des Vereinigten Königreichs - für die britische Regierung inakzeptabel. Sie setzt auf "besondere Lösungen", die aber noch nicht bekannt sind. Teil der Vereinbarung ist, in den nächsten Wochen intensiv über eine Lösung zu verhandeln.

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