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Herz der Wirtschaft

Seit 60 Jahren kümmert sich das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn um die Belange von kleinen Firmen und Familienunternehmen.

Etikettierungen gibt es einige. Um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen in Deutschland hervorzuheben, wird der Mittelstand gerne wahlweise als Rückgrat, Motor oder Herz der Wirtschaft bezeichnet. Schlagwörter, mit denen man sich am Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn nicht zufrieden gibt. Dort will man es ganz genau wissen. Nach der Definition des IfM zählen hierzulande Unternehmen, die bis zu 50 Millionen Euro Umsatz mit weniger als 500 Mitarbeiter erwirtschaften zum Mittelstand. In Deutschland sind dies exakt 3453 676 kleine und mittlere Unternehmen. Insgesamt setzen diese 2,2 Billionen Euro um und beschäftigen 17 Millionen Mitarbeiter. Weiter kennen die Bonner Experten Details zu Investitionstätigkeit, Forschungsquote und Zukunftstrends dieser Betriebe in allen Branchen und vieles mehr. "Seit der Gründung unseres Instituts ist es unsere Aufgabe, die Lage, Entwicklung und Probleme des Mittelstandes mit Hilfe unserer interdisziplinären Kernkompetenzen zu erforschen", sagt Friederike Welter, Präsidentin des IfM. Genau sechzig Jahre liegt der Start des Instituts nun zurück, Zeit für eine Rückschau.

In der Krise 2008 und 2009 zeigte sich die Stärke des Mittelstands

Erste Gespräche zur Gründung einer wissenschaftlichen Einrichtung mit Fokus auf mittelständische Betriebe gab es auf Betreiben von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard bereits 1955, bis zur Unterzeichnung der Stiftungsurkunde am 20. Dezember 1957 vergingen letztendlich noch weitere zwei Jahre. Denn die Mittel zur Erstausstattung des Instituts wurden erst im Haushalt 1957/58 bewilligt. 300 000 Mark betrug die jährliche Geldleistung damals. Das Budget wurde - bis heute - zu zwei Dritteln vom Bund und zu einem Drittel vom Land NRW getragen. Die fünf Forschungsabteilungen, neben Betriebs-, Volks- und Finanzwirtschaft auch Soziologie und Konjunktur, hatten in den Anfangsjahren ihren Sitz an den Universitäten Bonn und Köln. Das IfM begleitete in der Folge den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands. "In den 1970er Jahren standen erstmalig Insolvenzen und die Exportbereitschaft des Mittelstands im Forschungsfokus, in den 1980iger Jahren die Auswirkungen des EU-Binnenmarkts auf die mittelständischen Unternehmen", sagt Welter. Die 1990iger Jahre waren schließlich geprägt vom Aufbau des Mittelstands in den neuen Bundesländern.

Eine der größten Stärken des Mittelstands ist die motivations- und leistungsfördernde, aber auch verantwortungsbewusste Unternehmenskultur. Dies bewiesen die mittelständischen Betriebe gerade in den Krisenjahren 2008 und 2009. "Sie betrachten und fördern ihre Mitarbeiter als zentrale Quelle für Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. So waren die großen Familienunternehmen in dieser Phase nachweislich bestrebt, ihr Fachkräftepotenzial im Unternehmen zu halten", sagt Welter. Dafür nahmen sie vorübergehend Produktivitäts- und Gewinnrückgänge in Kauf, was sich letztlich in der Erholungsphase ausgezahlt habe.

Zu den Hauptaufgaben der 40 Mitarbeiterinnen in der Bonner Maximilianstraße, wo seit 1983 alle IfM-Abteilungen beheimatet sind, zählt die Bearbeitung der wirtschaftspolitischen Anfragen der Stifter. So nutzt neben dem Bund auch die nordrhein-westfälische Landesregierung die Expertise des Instituts. Neben Studien werden periodische Publikationen wie Zukunftspanel Mittelstand, Selbstständigen-Monitor und der Policy Brief Mittelstand veröffentlicht. 2,5 Millionen Euro beträgt der jährliche Gesamtetat heute. Jüngste Forschungsarbeiten zeigen die Erfolgsfaktoren von Kooperationen zwischen etablierten Firmen und Start-ups auf und untersuchen die Innovationstätigkeit des Mittelstands.

Mit der klaren Konzentration auf kleine und mittlere Unternehmen setzt sich die Einrichtung klar von anderen, teils größeren Forschungsinstituten wie dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW), dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) und dem Münchner IFO-Institut ab. "Das IfM hat einen guten Ruf, gerade weil es die Institution mit dem klarstem Fokus auf den Mittelstand ist. Besonders die Aufmerksamkeit in der Bundes- und Landespolitik macht es für den BDI zu einem interessanten Forschungspartner", sagt Fabian Wehnert, Abteilungsleiter Mittelstand beim Bundesverband der Deutschen Industrie.

Großen Stellenwert nimmt seit einigen Jahren in der Forschungsarbeit der fortschreitende technologische Wandel ein. Vor allem für die Unternehmen in den Informations- und Kommunikationstechnologien sowie im Bereich der Finanzdienstleistungen und im Verarbeitenden Gewerbe stelle das Thema die zentrale Herausforderung dar. "Dazu gehören auch die Themen Arbeit 4.0 und Prävention 4.0, was in der Diskussion um Industrie 4.0 nicht vergessen werden darf. Schließlich wirkt sich die zunehmende Digitalisierung auch auf das Arbeitsumfeld der Mitarbeiter und auf den Umgang der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern aus", sagt Welter.

Im Baugewerbe liegt die drängendste Aufgabe aktuell in der Gewinnung von Fachkräften, der Verkehrs- und Logistikbereich muss sich vornehmlich mit den Entwicklungen im Zuge des Klimawandels auseinandersetzen. Themen wie Nachfolge und Finanzierung bedrohen hingegen den Geschäftserfolg in allen Branchen. "Die Unternehmen in anderen Ländern nutzen sehr viel häufiger andere Finanzierungsquellen als vorrangig die Angebote der Hausbank", sagt Welter.

Direkte Beratung und Zusammenarbeit mit Firmen gibt es beim IfM nicht. Ortet die Forschung Schwachstellen oder Förderbedarf, geben die Wissenschaftler Empfehlungen und wirken in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien, Beiräten und Initiativen. So trugen die Arbeiten des Instituts maßgeblich zum Aufbau des Eigenkapitalhilfeprogramms für Neugründungen sowie der Etablierung des nationalen Normenkontrollrates zum Bürokratieabbau bei. "Die Familienunternehmen müssen das IfM und seine Forschungserkenntnisse nicht unbedingt kennen, um davon zu profitieren. Das ist wie mit einem klassischen Business-to-Business-Anbieter, am Ende zählt vernünftige und praxisnahe Politikberatung", sagt Wehnert.

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