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Leistungsträger fühlen sich abgehängt

Hei ru yu na mi ta yu re „Leistungsträger fühlen sich abgehängt“

Der Top-Berater und PwC-Chef Winkeljohann über Populismus, Karl Marx und Steuertricks

svz.devon Burkhard Ewert
23. Januar 2018, 12:00 Uhr

Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) ist eine graue Eminenz der Wirtschaft. Ob bei der Bilanzvorlage von Dax-Konzernen, als Strategiepartner für Mittelständler oder in der Politikberatung, überall sind PwC-Berater zu finden. Der Europa-Chef Norbert Winkeljohann gibt Redakteur Burkhard Ewert Auskunft.

Herr Winkeljohann, Pricewaterhouse Coopers stellt in diesen Tagen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den jährlichen CEO- Survey vor, eine Umfrage unter Vorstandschefs weltweit führender Unternehmen. Was steht denn drin?
Winkeljohann: Große Überraschung: Top-Manager weltweit zeigen sich so optimistisch wie nie zuvor. Mit 57 Prozent erwartet zum ersten Mal die Mehrheit der befragten Firmenlenker, dass die globale Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten wächst. Der Blick auf das eigene Unternehmen fällt skeptischer aus: Knapp die Hälfte der CEOs sind sehr zuversichtlich, dass das eigene Unternehmen 2018 wächst. Bei den deutschen Managern fallen die Einschätzungen zum Weltwirtschaftswachstum und zur eigenen wirtschaftlichen Entwicklung noch etwas weiter auseinander als auf globalem Level: Die Deutschen sehen die Perspektiven der Weltkonjunktur mit 61 Prozent im globalen Vergleich noch etwas optimistischer, während sich beim Blick auf eigene Unternehmen in 2018 nur jeder Dritte sehr zuversichtlich zeigt.

Glauben Sie, das deckt sich mit dem Vertrauen der Bevölkerung in den Kapitalismus?
Nein. Ich sehe, und das ist eine große Sorge, die auch die Wirtschaftslenker haben, die immer stärker wachsende Lücke zwischen Arm und Reich. Ich sehe auch die Sorge, dass sich größere Bevölkerungsgruppen politisch nicht mehr mitgenommen fühlen, was in den USA nicht viel anders ist als in Europa. Es ist eine wichtige Aufgabe für die neue Bundesregierung, hier zu wirksamen Lösungen zu kommen. Im Arbeitsmarkt sehen wir zwar Rekordzahlen. Viele Menschen haben aber das Gefühl, nicht davon zu profitieren, wenn die Wirtschaft boomt. In zahlreichen PwC-Studien beobachten wir seit Längerem einen Trend: Die Treiber des Fortschritts der vergangenen Jahre – Globalisierung, technologischer Fortschritt und finanzieller Fokus – haben zu beispielloser Produktivität, zu Innovationen und Wohlstand geführt. In den letzten zehn Jahren ist aber gleichzeitig eine wachsende Kluft zwischen verschiedenen Einkommensgruppen entstanden. Selbst Leistungsträger mit mittleren oder gehobenen Einkommen sehen kaum Nettozuwächse und fühlen sich abgehängt. Hier gibt es Fehler im System, denen man Rechnung tragen muss.

Vor 200 Jahren wurde Karl Marx geboren. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz sagte jüngst, dass er eine Renaissance seiner Lehre erwarte, weil Fragen der Gerechtigkeit im Kapitalismus ungeklärt seien. Was glauben Sie?
So weit wird es nicht gehen. Jeder sollte verstehen, dass wir Anreizstrukturen brauchen, in denen sich unser Wirtschaftsleben vernünftig entwickeln kann. Der Marxismus, das ist historisch bewiesen, bietet solche Strukturen nicht. In einer gut funktionierenden Volkswirtschaft braucht es immer einige Unternehmer, die sagen, ich bin mutig, ich habe gute Ideen, treibe Dinge voran und ziehe andere Menschen mit. Ohne Leistungsprinzip keine Leistung.

Nun gibt es einen zuletzt viel bemühten vermeintlichen links-alternativen Mainstream. Wie deckt sich der mit Ihrem Bild des Unternehmers? Müssen Unternehmen zunehmend an politischen oder gar populistischen Fronten bestehen?
Viele Unternehmer teilen doch die Sorge um das Auseinanderdriften der Gesellschaft. Für mich ist die Diskussion über viele Themen häufig zu flach. Da fehlt es an Sachkenntnis und am Verständnis für Inhalte. Wir konsumieren Informationen sehr schnell, aber die tiefere Auseinandersetzung mit Sachargumenten findet nicht immer statt. Ins Detail zu gehen und zu sagen, ob, sagen wir, die E-Mobilität stärker gefördert werden sollte, das lässt sich nicht aus dem Handgelenk heraus beantworten. Das Gleiche gilt für sozialpolitische Fragen.

Stichwort Arbeitsmarkt: Können Arbeitnehmer derzeit eigentlich fordern, was sie wollen?
Im Moment können sie zumindest sehr viel fordern. Es werden viele, viele Fachkräfte gesucht, was entsprechende Forderungen möglich macht.

Ob Busfahrer, Bäcker oder Beamte: Überall gibt es diesen Mangel. Aber wie dauerhaft ist er? Manche warnen vor einem neuen Heer von Arbeitslosen, das aus der Digitalisierung erwächst.
Das glauben wir bei PwC nicht. Nach einer unserer Studien werden in Deutschland bis 2030 rund 4,2 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Die Digitalisierung verringert diesen Engpass um die Hälfte, durch Zuwanderung wird die Lücke ebenfalls ein Stück geschlossen. Es bleibt aber immer noch eine große Anzahl von Arbeitsplätzen offen. Daher ist künstliche Intelligenz eine eher beruhigende als alarmierende Aussicht. Sie kann Aufgaben übernehmen, für die sich keine Fachkräfte finden lassen. Aber auch hier gilt, dass die genauen Folgen nicht hinreichend erforscht sind, um die Effekte auf lange Sicht vorherzusagen.

Zu Ihrem Unternehmen selbst: Veröffentlichungen wie Panama Papers oder Paradise Papers werfen regelmäßig Wirtschaftskanzleien und Beratungen vor, Beihilfe zur Steuervermeidung zu leisten. Wie bewerten Sie das?
Wer diese Vorgänge bewerten will, muss hinter die Fassade schauen. Wir beraten Unternehmen weltweit, damit sie erfolgreich sind, damit sie Arbeitsplätze und Wohlstand sichern. Wer ein Unternehmen führt, ist verpflichtet, es im Sinne seiner Gesellschafter optimal zu führen. Die größte Position in seiner Kostenrechnung ist nicht selten die Steuer. Das heißt, er ist verpflichtet, sich um die Optimierung dieser Position zu kümmern und sich zumindest mit der Frage befassen, welche rechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten es gibt und welches Risiko er tragen will, dass seine Gestaltung öffentlich kritisiert wird. Im Rahmen der Diskussion sollte uns außerdem eines klar sein: Solange es zwischen Nationen Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen gibt, werden uns diese Themen begleiten. PwC betont bereits seit Jahren, dass die Globalisierung und zunehmend das digitale Business nur mit Steuergesetzen beherrschbar sind, deren Grundzüge aktuelle Entwicklungen wie Digitalisierung berücksichtigen. Dafür setzen wir uns aktiv ein. In jedem Fall empfehlen wir unseren Mandanten eine nachhaltige Steuerpolitik.

 
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