"Ein bisschen reibt man sich ja jetzt schon die Augen als Ökonom", schwärmt IW-Direktor Michael Hüther über den Höhenflug der Wirtschaft, "egal wann man anfängt, den Aufschwung einsetzen zu lassen - ob 2011 nach der schweren Krise oder 2013 nach einer sehr kurzen Schwächephase - es ist in jeder Hinsicht eine der längsten Aufwärtsbewegungen, die wir in deutschen aber auch in der europäischen Konjunktur beobachten."
Der Wirtschaftsforscher kann wirklich Erstaunliches vermelden: 26 der 48 von seinen Mitarbeitern regelmäßig zum Jahresende befragten Verbände sprechen aktuell von einer besseren Lage im Vergleich zum Vorjahr. 20 Verbände bewerten ihre gegenwärtige Geschäftssituation genauso wie vor einem Jahr. Aber nur noch zwei berichten, dass sie schlechter dastehen - bei der letztjährigen Verbandsumfrage waren es noch neun Verbände.
Robuste Aufwärtsbewegung
Diese Zahlen spiegeln einen Aufschwung wider, der schon länger anhält und - was eher selten vorkommt - fast ohne Schwankungen verläuft. "Bei der Produktion und auch bei der Beschäftigung geht es aufwärts wie mit dem Lineal gezogen", sagt Hüther. Das sei qualitativ ein Prozess, der nicht viel mit den üblichen verlaufenden Konjunkturzyklen zu tun habe, sondern getragen werde von neuen Wachstumsmöglichkeiten.
Eine schlechtere Wirtschaftslage ist nach der aktuellen IW-Verbandsumfrage nur in der Ernährungsindustrie und bei den Volks- und Raiffeisenbanken zu beobachten. Diese eher kleinen, genossenschaftlich-organisierten Häuser leiden besonders unter dem derzeitigen Niedrigzinsniveau. Mit Fusionen zu größeren Einheiten versuchen einige dieser Institute gegenzusteuern. In der Ernährungsindustrie dämpfen der hohe Konkurrenzdruck und steigende Kosten die Stimmung.
Industrie und Immobilienwirtschaft auf der Sonnenseite
Dagegen verzeichnet ein Großteil der Industriebranchen sowie die Leasing- und Immobilienwirtschaft eine gute Geschäftslage. "Wir haben eine Verbindung von mehreren positiven Faktoren", erläutert Hüther. Die Weltwirtschaft, die im Laufe der letzten 24 Monate auch von Zweifel durchzogen war durch die Probleme in Ostasien, durch die Diskussion in den USA, habe sich als nachhaltig robust erwiesen. Ähnlich verhalte es sich in Europa. "Die Krisenländer sind in einem deutlichen Aufwärtstrend und in allen gesamtwirtschaftlichen Indikatoren sind wir in der Eurozone wieder auf einem Niveau, das vor der Staatsschuldenkrise zu verzeichnen war."
Deutschland passe mit seinem Geschäftsmodell ganz hervorragend zu den Bedürfnissen anderer Länder, so Hüther. Das erkläre die Erfolge beim Export. Damit einher gehe die erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit immer mehr Erwerbstätigen. Als Folge sei es "fast unvermeidbar", betont der Ökonom augenzwinkernd, dass es auch in der Binnenwirtschaft gut laufe.
Fachkräftemangel im Blickpunkt
Kehrseite der Medaille: Ein Drittel der Unternehmen, die kürzlich vom IW entsprechend befragt wurden, melden, dass derzeit ihre Kapazitäten überausgelastet sind - damit droht eine Überhitzung der Wirtschaft. Für zwei Drittel dieser Unternehmen ist ein Mangel an qualifizierten Mitarbeitern der Grund für die betriebliche Überlastung.
Gegen diesen Fachkräftemangel brauche es, so Hüther, eine Strategie, die an mehreren Punkten ansetzt: Allem voran fordert er Veränderungen im Bildungssystem, um den Anforderungen, die die digitale Transformation mit sich bringt, gerecht zu werden. Notwendig sei außerdem ein Einwanderungsgesetz im Sinne einer gesteuerten Zuwanderung von potentiellen Fachkräften, sonst könnte sich die Dynamik des Wachstums vor allem mittelfristig abschwächen. Aktuell gebe es aber keinen Grund zur Sorge.
Optimismus trotz politischer Unsicherheitsfaktoren
"Wir sehen im Augenblick nichts, was in eine Bewegung nach unten führt. Politische Risiken, auch das muss man noch einmal erinnern, sind ja in den letzten Jahren im Grunde mehr oder weniger ganz leicht ausgeschwitzt worden", sagt Hüther. Zu den möglichen Unsicherheitsfaktoren zählt er die aggressive Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin, den zuletzt steigenden Ölpreis, die Unberechenbarkeit des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan oder die protektionistischen Tendenzen des US-Präsidenten Donald Trump. "All' das hat bisher nicht dazu geführt, dass die Investitionen eingebrochen sind und dass damit ein Prozess zyklischer Abwärtsbewegung eingeleitet wurde." Der IW-Direktor blickt auch deshalb sehr optimistisch auf das kommende Jahr 2018.
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