Die Schweizer Wirtschaft steckt fast ständig im Abstimmungskampf. Der nächste knifflige Urnengang kündigt sich mit der Volksinitiative zur Verantwortung von Unternehmen an. Der von Hilfswerken und anderen Organisationen eingereichte Vorstoss hat ein sympathisch klingendes Ziel: Schweizer Firmen sollen weltweit Menschenrechts- und Umweltstandards einhalten. Dagegen kann kaum jemand sein.
Und doch lehnt der Bundesrat die Initiative ab. Die Regierung hat am Freitag ihre Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die federführende Justizministerin Simonetta Sommaruga liess vor den Medien grosse persönliche Sympathien für die Initiative durchblicken, während sie bei der Begründung für die Ablehnung betonte, dass die Vorlage «dem Bundesrat» zu weit gehe. Dem Vernehmen nach gab es Diskussionen darüber, ob die Regierung die Anliegen der Initiative offiziell «unterstützen» oder nur «anerkennen» soll. In der Botschaft wie in der Pressemitteilung waren schliesslich beide Verben (an unterschiedlichen Stellen) zu sehen.
Der Bundesrat sieht bei der Initiative zwei Hauptprobleme. Zum einen fordere sie Sorgfaltsprüfungen in Sachen Umwelt und Menschenrechte für alle von Schweizer Firmen kontrollierten Unternehmen weltweit und für sämtliche Geschäftsbeziehungen. Dies bringe erhebliche Umsetzungsprobleme und gehe über internationale Standards hinaus. Zum anderen wolle die Initiative das weltweit strengste Haftungsregime. Demnach sollen Schweizer Firmen künftig weltweit für Schäden haften, die «durch sie kontrollierte Unternehmen» mit der Verletzung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards verursachen. Dabei gilt die Umkehr der Beweislast: Bei Schäden gelten die Firmen als schuldig, wenn sie die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachweisen können. Die Haftung von Konzernzentralen gälte nicht nur für Firmentöchter, sondern auch für Lieferanten, die wirtschaftlich vom Konzern abhängig sind.
Schweizer Richter müssten über Vorgänge im Ausland entscheiden. Diese Regeln könnten laut Bundesrat zum Wegzug von Schweizer Firmen führen, was weder der Umwelt noch den Menschenrechten diene und hierzulande Arbeitsplätze koste. Der lange Arm von Schweizer Richtern könnte von anderen Ländern auch als Eingriff in deren Souveränität gewertet werden. Letzteres spiegelt einen Kerngedanken der Initiative. Viele arme Länder haben nur schlecht funktionierende Rechtssysteme; deshalb sollen Schweizer Richter aufräumen – wenigstens bei Delikten von Firmen unter Schweizer Kontrolle.
Der Bundesrat will in Sachen Umwelt und Menschenrechte im Einklang sein mit internationalen Standards (zum Beispiel Uno- und OECD-Leitlinien). Zudem will er ungefähr die Praxis in der EU spiegeln. Der Bundesrat beabsichtigt, in Anlehnung an die EU-Regeln eine Vorlage zur Firmenberichterstattung über die Nachhaltigkeit in die Vernehmlassung zu schicken, wenn Klarheit über die Umsetzung der EU-Richtlinie in den Mitgliedstaaten herrsche.
Im Unterschied zur Volksinitiative will der Bundesrat die Schweiz hier nicht als Vorreiterin sehen. In der Strenge ist die Schweizer Initiative am ehesten noch mit einem Beschluss von diesem Frühling in Frankreich zu vergleichen. Jenes Gesetz sieht für multinationale Firmen ab 5000 Mitarbeitern Sorgfaltspflichten und Haftungsregeln in Sachen Umwelt und Menschenrechte vor. Die Schweizer Initiative soll für Firmen aller Grössen gelten, doch laut Initiativtext wäre auf die Bedürfnisse kleinerer Betriebe «Rücksicht» zu nehmen.
Der Bundesrat verzichtet auf einen Gegenvorschlag. Ein solcher könnte im Parlament noch zum Thema werden. Sympathien dafür hatte etwa die Baselbieter CVP-Nationalrätin und Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter gezeigt. Am Freitag sagte sie aber auf Anfrage, dass sie einen Gegenvorschlag nur bei einem Rückzug der Volksinitiative unterstützen würde. Ein solcher Vorschlag sei überdies im Einklang mit der Wirtschaft auszuarbeiten. Ein Gegenvorschlag würde vor allem die strengen Haftungsregeln der Initiative nicht enthalten. Dann gäbe es aber gemäss bisherigen Äusserungen der Initianten kaum einen Rückzug der Initiative.
Wirtschaftsvertreter zeigen grossen Respekt vor dem Abstimmungskampf, scheinen aber zu glauben, dass sie die Volksmehrheit überzeugen könnten. Aus heutiger Sicht wäre 2019 ein realistisches Datum für den Urnengang.
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